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Essentials zu

Kinderrechte-Netzwerken

Essentials zu

Kinderrechte-Netzwerken

Essentials zu Kinderrechte-Netzwerken

10. Februar 2021
Inputs

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4 Essentials zu Kinderrechte-Netzwerken von Sonja Student, Makista e.V.

Ich freue mich sehr, dass heute in Niedersachsen ein weiteres Schulnetzwerk für Kinderrechte startet. Solch ein Meilenstein ist überhaupt (noch) nicht selbstverständlich in Deutschland mit seinen 16 Bundesländern. Trotz vieler einzelner Fortschritte sind die Kinderrechte immer noch nicht in allen Bildungseinrichtungen angekommen.

2010, also vor über 10 Jahren, habe ich mit Makista in Partnerschaft mit Unicef und unter Schirmherrschaft des hessischen Kultusministeriums das erste Schulnetzwerk für Kinderrechte in Hessen gegründet. Der Grund dafür war die Einsicht, dass allein mit einzelnen Kinderrechtsprojekten keine nachhaltige Kinderrechte-Schulkultur entwickelt werden konnte.

Deshalb herzlichen Glückwunsch, dass sie heute in schwierigen Pandemiezeiten mit 38 Schulen starten und vom Land Niedersachsen und Unicef begleitet werden. Sie können schon am Start auf dem aufbauen, was Unicef aus weltweiten Programmen und gemeinsamen Erfahrungen verschiedener Kinderrechtsprogramme in Deutschland einbringen kann.

Im Folgenden möchte ich Ihnen 4 Essentials ans Herz legen – aus der reflektierten Praxis der Schulentwicklung zu Kinderrechten und Demokratie.

  • Voneinander lernen – auf allen Ebenen

Ein großer Vorteil der Arbeit in Schulnetzwerken ist, dass alle Schulen durch den regelmäßigen Austausch voneinander lernen, im Kleinen wie im Großen. Jede Schule geht dabei ihren individuellen Weg, Schritt für Schritt im je eigenen Tempo. Der kollegiale Austausch und die gemeinsame Beratung über Herausforderungen, Schwierigkeiten und Erfolge stärken sowohl die einzelne Schule wie das Netzwerk. Das ist ein Ergebnis sämtlicher Evaluationen unserer Netzwerktreffen und Fortbildungen. Auch ein gemeinsames Engagement für ein Ziel aller oder vieler Schulen stärkt das Bewusstsein von Selbstwirksamkeit in der Einzelschule wie im Netzwerk.

Was man mitnimmt, ist ganz verschieden: Es kann ein Kinderrechte-Wandbild, eine Ausstellung, ein gelungener Kinderrechtetag, ein Schulcurriculum zu den Kinderrechten sein, ein Peer-to-peer Projekt, ein Schulprogramm bis hin (wie in Hessen 2018) zur Beteiligung an einer Volksabstimmung über die Aufnahme der Kinderrechte in die aktualisierte Hessische Verfassung sein.

Voneinander lernen gilt auch für die Kooperation in multiprofessionellen Teams mit Kinderrechte-Expert*innen aus Wissenschaft, Fortbildung und Praxis.

Voneinander lernen meint auch vertikale Kooperation zwischen Schulen,Stadtteilen, Kommunen, Bundesländern, dem Bund und im Falle von Unicef der weltweiten Ebene. Hier möchte ich die gute länderübergreifende Zusammenarbeit verschiedener Kinderrechte-Programme in Deutschland erwähnen. Seit vielen Jahren arbeiten Unicef, das Deutsche Kinderhilfswerk und Makista im Rahmen der National Coalition an gemeinsamen Fortbildungen, Leitbildern und Qualitätskriterien für Kinderrrechte-Schulen. Insbesondere möchte ich die gute Zusammenarbeit mit dem Kinderrechteprogramm NRW und meiner geschätzten Kollegin Elisabeth Stroetmann hervorheben.

  • Kinderrechte sind ganzheitlich mit der KRK als Bezugspunkt: Von impliziten Kinderrechten zu expliziten Kinderrechten

Kinderrechte sind mehr als ein Thema im Unterricht oder ein Projekt zur Belebung des Alltags. Sie bedeuten vor allem eine Haltung der pädagogischen Fachkräfte und aller an Schule Beteiligten. Sie brauchen kinderrechtliche Kompetenzen, damit sie im Sinne der Kinderrechte handeln können. Und sie brauchen eine geteilte Kultur und förderliche Strukturen. Der gemeinsame Bezugspunkt für den gesamten Schulalltag sollten die Prinzipien der KRK sein: Zuallererst die Orientierung am Wohl des Kindes und seiner besten Interessen, weiter Schutz, Gleichheit und Nicht-Diskriminierung, Förderung und Partizipation. Das Letztere, die Partizipation, wird meistens als Erstes vergessen, schauen wir nur auf die Beteiligung der Kinder in Corona-Zeiten. Alle Prinzipien zusammen bilden so etwas wie die Tiefenstruktur der KRK. Die einzelnen KR-Artikel können dann übersichtlich diesen Prinzipien zugeordnet werden.

Dass die Kinderrechte eine menschen- und kinderfreundliche Ordnung an der Schule ermöglicht, zeigt das folgende Zitat der Leiterin einer Bildungseinrichtung:

„Zuerst haben wir gedacht: Kinderrechte? Nee, das jetzt auch noch, wir sind schon pickepacke voll und sehr belastet. Wir haben uns dann trotzdem drauf eingelassen und immer mehr bemerkt: Das ist gar nichts Zusätzliches. Im Gegenteil, das gibt uns Halt und hilft uns eine gute Struktur zu entwickeln.“

Ich habe vor allem bei den Pädagogischen Tagungen, aber auch bei den vielen Netzwerktreffen und Veranstaltungen solche „Kicks“ erlebt. Sie zeigen: Alles an der Schule hat mit den Kinderrechten zu tun und vieles tun wir schon implizit. Wir haben es nur bisher nicht mit den Kinderrechten verbunden und ihre Verbindlichkeit für die Schule festgeschrieben. Ausgehend von den Grundprinzipien der KRK können wir jetzt schauen: Was machen wir schon gut und wo können wir uns verbessern. Erst wenn die impliziten Vorhaben und Ressourcen für die Kinderrechte bewusst und explizit gemacht werden, kann eine Kultur der Kinderrechte entstehen, auf die sich alle Kinder und Erwachsenen beziehen können.

  • Eine Lernspirale: Wissen – Erleben – Engagement

Die Ganzheitlichkeit der Kinderrechte bezieht sich auch auf die Art und Weise, wie die Kinderrechte gelebt und gelernt werden. Handlungsleitend dabei ist die Orientierung an den drei Ebenen der Menschenrechtsbildung:

Wissen über die Kinderrechte –jeweils altersgemäß übersetzt. Das stärkt die Kinder in der Wahrnehmung ihrer Rechte. Es hilft ihnen sprechfähig zu bleiben, wenn ihre Rechte verletzt werden. Und es unterstützt sie, sich für ihre eigenen Rechte und die anderer Kinder einzusetzen. Bei der Information über Kinderrechte sollten Kinder selbst eine aktive Rolle spielen, sei es z. B. als Peers in der eigenen Schule oder z. B. in Verantwortungsprojekten in einer benachbarten Kita oder anderen Einrichtungen.

Grundsätzlich gilt: Kinder und Jugendliche verstehen am besten, was Kinderrechte sind, wenn sie erleben, dass sie im Sinne der Kinderrechte behandelt werden. Je jünger die Kinder sind, umso wichtiger ist die Erlebnisebene, das Lernen durch Kinderrechte.

Fehlerfreundlichkeit und die Fähigkeit zur Selbstreflexion und Selbstkritik sind wichtige Voraussetzungen dafür, dass sich in Kollegien und Teams eine kinderrechtsbewusste Haltung entwickelt.

Im Engagement für Kinderrechte erfahren sich Kinder und Jugendliche als selbstwirksam in der eigenen Einrichtung, in der Gemeinde oder in weltweiten Zusammenhängen.

Die drei Ebenen der Kinderrechtsbildung gehören zusammen und verstärken sich gegenseitig – das gilt für Kinder und Erwachsene. So entsteht eine Spirale des Lernens.

  • Vom Ende her denken und den nächsten Schritt gehen

Kinderrechte in Bildungseinrichtungen sind ein gemeinsames Ziel staatlicher Einrichtungen und der Zivilgesellschaft. (Durch die Ratifizierung der KRK ist die Verwirklichung der Kinderrechte eine staatliche Verpflichtung im Rang eines einfachen Bundesgesetzes. Hoffentlich werden die Kinderrechte durch die Aufnahme ins Grundgesetz weiter aufgewertet).

Was Sie heute als innovatives Programm starten, sollte mit Hilfe ihrer Ergebnisse und Erkenntnisse in Zukunft Standard für alle Schulen in Niedersachsen, aber auch bundesweit werden. Auf dem (nicht ganz kurzen) Weg dahin werden Sie Highlights, Fehler und Entwicklungen erleben.

Die gute Nachricht: Sie sind Teil einer großen und sehr ausdauernden Bewegung, deren einzelne Schritte sowohl Gegenwart und Zukunft der Kinder verändern – für die Kinder und mit den Kindern.

Aus tiefster Überzeugung nach 20 Jahren Schulentwicklung zu Kinderrechten und Demokratie (beides gehört untrennbar zusammen in einer menschenrechtsbasierten Demokratie als Staats-, Gesellschafts- und Lebensform) kann ich Ihnen versichern: Es lohnt sich! Denn Kinderrechteschulen sind Schulen der Menschlichkeit und der Menschenrechte von Anfang an. Unser gemeinsames Engagement verbessert nicht nur unsere eigene Schule, sondern vertieft auch unsere eigene Menschlichkeit.

Herzlichen Dank!

 

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